Feedback: Reflexion der Zusammenarbeit im Gebärsaal
Gestern hat Frau Roth, eine erfahrene Hebamme, Frau K.B. bei der viel zu frühen Geburt ihres 22-wochen alten Kindes unterstützt. Das Kleine lebte noch ein paar Minuten in den Armen der Hebamme, weil Frau K.B. die Situation nicht aushielt und wild um sich fuchtelte. Auf die Bitte um Unterstützung der Hebamme trat anstelle der erwarteten 2. Hebamme 2 Minuten nach der Geburt Frau Kluge, eine junge Assistenzärztin in den Gebärsaal und erkundigte sich sofort nach dem Stand der Dinge. Nach einem kurzen Bericht erteilt sie der Hebamme die Anweisung sofort Oxytocin zu spritzen, damit sich die Gebärmutter zusammenzieht und das Risiko für eine spätere Auskratzung möglichst klein gehalten werden könne. Frau Roth hat immer noch das sterbende Frühgeborene im Arm und bittet die Assistenzärztin das Medikament selbst zu spritzen, worauf Frau Roth den Auftrag wiederholend den Gebärsaal verlässt.
Am Tag danach spricht Frau Kluge die Hebamme während einer Pause in der Hebammenstube an und fragt: Gestern habe ich Dich wohl etwas genervt. Wollen wir darüber reden?
Frau Roth gibt ihrer Einschätzung recht und weist sie darauf hin, dass ihr Hilfesignal gestern nicht die Bitte um eine fachliche Entscheidung gewesen sei, sondern dass einfach Hände gefehlt hätten, um all die Dinge zu verrichten, die anstanden: Frau K.B. wollte beruhigt werden, das zu Kleine hatte die Nähe eines Menschen zu Gute während es sich wieder von dieser Welt verabschiedete, die Nachgeburt war noch unterwegs …. Das Oxytocin stand auch auf der Liste, war aber nicht dringend.
Darauf entspinnt sich eine entnervte Diskussion über die Priorität der Medikamentengabe nach der Geburt und nach ein paar Minuten trennen sich Frau Roth und Frau Kluge. Die Meinungen sind gemacht:
Frau Kluge fühlt sich völlig unverstanden und angesichts ihrer Verantwortung als Ärztin nicht ernst genommen.
Frau Roth wurden alle Vorurteile gegenüber den ÄrztInnen bestätigt: Dies ist keine Zusammenarbeit, sondern Rechthaberei. Zugunsten der Versorgung der gebärenden Frauen in einer freundlichen Umgebung müssen solche ÄrztInnen aus dem Gebärsaal verdrängt werden.
Fragen zur Reflexion:
Welches Feedback geben Sie Frau Kluge und Frau Roth, wenn Sie diesem Gespräch zugeschaut hätten? Welches sind positive Punkte? Wie könnten die beiden ihre Ziele geschickter erreichen?
Wie würden Sie an Stelle von Frau Roth nach diesem Gespräch weiter vorgehen?
Wie würden Sie sich als Chefarzt der Geburtsklinik verhalten, wenn Frau Kluge bei einer günstigen Gelegenheit um Unterstützung bittet, weil sie sich im Gebärsaal nicht durchsetzen könne?