Feedback: Jährliches Mitarbeitergespräch des Assistenzarztes beim Leitenden Arzt
Herr Sommer hat nun schon zwei Jahre klinische Erfahrung als Assistenzarzt und steht vor dem Mitarbeitergespräch mit dem Leitenden Arzt der Klinik. Es geht ihm darum, die chirurgische Facharztausbildung machen zu können. Er weiss, dass er noch einiges dazulernen muss, aber dafür sind ja die nächsten vier Weiterbildungsjahre da. Er ist froh, dass er Dr. Winkler als engagierten und ehrlichen Lehrer kennengelernt hat.
Dr. Winkler hat von Herr Sommer verschiedene Rückmeldungen erhalten, z.B. wegen falschen Entscheidungen am Krankenbett. Die operativ tätigen Kollegen verstehen nicht, dass er eine chirurgische Laufbahn anzustreben scheint. Ihm gegenüber wirkte Herr Sommer immer freundlich und seine Kenntnisse waren ganz ordentlich.
Dr. Winkler beginnt das Gespräch: Schön, dass sich im vergangenen halben Jahr das Verhältnis mit dem Team deutlich gebessert hat, Sie haben sich ganz offensichtlich integriert und sind selbständiger und sicherer in Ihren Entscheidungen geworden. Ganz besonders gefallen hat mir, wie Sie mit viel Elan und gegen erhebliche Widerstände unser gemeinsames Projekt zur Spitalhygiene vorangebracht haben. Allerdings möchte ich ehrlich sein und Ihnen keine Hoffnung auf eine chirurgische Karriere bei uns machen. Aufgrund meiner Beobachtungen haben Sie die dafür notwendigen Talente nicht.
Herr Sommer wirkt wie versteinert und entgegnet nach einer kurzen Pause in etwas aufgebrachtem Ton: Ich verstehe nicht, wieso ich für Chirurgie ungeeignet sein soll. Ich bin sorgfältig beim Nähen und kenne meine Grenzen. Ich habe mit der Patientenbetreuung zu Beginn der Anstellung manchmal Mühe gehabt, aber gravierende Fehler sind mir nie unterlaufen.
Dr. Winkler entgegnet gelassen: Auch andere Personen im Spital teilen meine Ansicht. Ihr Verhalten bei medizinischen Problemstellungen und Ihr zögerliches Vorgehen zum Beispiel beim Präparieren bei Abdominaleingriffen zeigen unzweifelhaft: Sie sind für die Chirurgie ungeeignet.
Nun kann sich Herr Sommer nicht mehr zurückhalten und sagt wütend: Das ist Mobbing: Man macht mich systematisch schlecht und niemand gibt mir eine faire Chance meine Kompetenzen zu zeigen. Die Anschuldigen sind falsch, denn ich konnte im letzten halben Jahr nur gerade zweimal ein Abdomen selbständig eröffnen. Einmal war dies bei Frau Zeiko mit einem BMI von 38 schwierig. Grundsätzlich mache ich meinen Job gut. Ich werde von meinem Ziel nicht abrücken, bisher habe ich alles erreicht, was ich mir vorgenommen habe. Ich werde einen Weg finden, Chirurg zu werden.
Dr. Winkler bricht das Gespräch wütend ab und fühlt sich in seinem Urteil bestärkt: Herr Sommer ist nicht nur ein Low-Performer sondern auch noch uneinsichtig. Er beschliesst den befristeten Anstellungsvertrag nicht zu verlängern.
Fragen zur Reflexion:
Welches Feedback geben Sie Dr. Winkler und Herr Sommer, wenn Sie diesem Gespräch zugeschaut hätten? Welches sind positive Punkte? Wie könnte sie ihre Ziele geschickter erreichen (Karriereplanung)?
Wie würden Sie an Stelle von Dr. Winkler nach diesem Gespräch weiter vorgehen? Vereinbaren Sei ein weiteres Gespräch mit dem Assistenzarzt? Wie würden Sie sich vorbereiten?
Feedback: Reflexion der Zusammenarbeit im Gebärsaal
Gestern hat Frau Roth, eine erfahrene Hebamme, Frau K.B. bei der viel zu frühen Geburt ihres 22-wochen alten Kindes unterstützt. Das Kleine lebte noch ein paar Minuten in den Armen der Hebamme, weil Frau K.B. die Situation nicht aushielt und wild um sich fuchtelte. Auf die Bitte um Unterstützung der Hebamme trat anstelle der erwarteten 2. Hebamme 2 Minuten nach der Geburt Frau Kluge, eine junge Assistenzärztin in den Gebärsaal und erkundigte sich sofort nach dem Stand der Dinge. Nach einem kurzen Bericht erteilt sie der Hebamme die Anweisung sofort Oxytocin zu spritzen, damit sich die Gebärmutter zusammenzieht und das Risiko für eine spätere Auskratzung möglichst klein gehalten werden könne. Frau Roth hat immer noch das sterbende Frühgeborene im Arm und bittet die Assistenzärztin das Medikament selbst zu spritzen, worauf Frau Roth den Auftrag wiederholend den Gebärsaal verlässt.
Am Tag danach spricht Frau Kluge die Hebamme während einer Pause in der Hebammenstube an und fragt: Gestern habe ich Dich wohl etwas genervt. Wollen wir darüber reden?
Frau Roth gibt ihrer Einschätzung recht und weist sie darauf hin, dass ihr Hilfesignal gestern nicht die Bitte um eine fachliche Entscheidung gewesen sei, sondern dass einfach Hände gefehlt hätten, um all die Dinge zu verrichten, die anstanden: Frau K.B. wollte beruhigt werden, das zu Kleine hatte die Nähe eines Menschen zu Gute während es sich wieder von dieser Welt verabschiedete, die Nachgeburt war noch unterwegs …. Das Oxytocin stand auch auf der Liste, war aber nicht dringend.
Darauf entspinnt sich eine entnervte Diskussion über die Priorität der Medikamentengabe nach der Geburt und nach ein paar Minuten trennen sich Frau Roth und Frau Kluge. Die Meinungen sind gemacht:
Frau Kluge fühlt sich völlig unverstanden und angesichts ihrer Verantwortung als Ärztin nicht ernst genommen.
Frau Roth wurden alle Vorurteile gegenüber den ÄrztInnen bestätigt: Dies ist keine Zusammenarbeit, sondern Rechthaberei. Zugunsten der Versorgung der gebärenden Frauen in einer freundlichen Umgebung müssen solche ÄrztInnen aus dem Gebärsaal verdrängt werden.
Fragen zur Reflexion:
Welches Feedback geben Sie Frau Kluge und Frau Roth, wenn Sie diesem Gespräch zugeschaut hätten? Welches sind positive Punkte? Wie könnten die beiden ihre Ziele geschickter erreichen?
Wie würden Sie an Stelle von Frau Roth nach diesem Gespräch weiter vorgehen?
Wie würden Sie sich als Chefarzt der Geburtsklinik verhalten, wenn Frau Kluge bei einer günstigen Gelegenheit um Unterstützung bittet, weil sie sich im Gebärsaal nicht durchsetzen könne?