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16.12.2014 16:15 | Christoph A. Pfister | 2 Kommentare | Tags: Health Professionals, Feedback, Brücken, Entwicklung, Coaching, Kompetenzen, Team, Kommunikation, Konflikt, Kultur

Feedback: Jährliches Mitarbeitergespräch des Assistenzarztes beim Leitenden Arzt

Das Buchkapitel "Wie sage ich’s am wirksamsten? - Feedback als Brücke zwischen Health Professionals" enthält auch wahre Fallbeispiele, welche die AutorInnen hier anonym zur Diskussion stellen, damit sie und die LeserInnen daraus (interprofessionell) lernen können. Bitte beantworten Sie also die Fragen unten mit einem Kommentar. Sie können gerne auch ein weiteres Fallbeispiel beisteuern.

Herr Sommer hat nun schon zwei Jahre klinische Erfahrung als Assistenzarzt und steht vor dem Mitarbeitergespräch mit dem Leitenden Arzt der Klinik. Es geht ihm darum, die chirurgische Facharztausbildung machen zu können. Er weiss, dass er noch einiges dazulernen muss, aber dafür sind ja die nächsten vier Weiterbildungsjahre da. Er ist froh, dass er Dr. Winkler als engagierten und ehrlichen Lehrer kennengelernt hat.

Dr. Winkler hat von Herr Sommer verschiedene Rückmeldungen erhalten, z.B. wegen falschen Entscheidungen am Krankenbett. Die operativ tätigen Kollegen verstehen nicht, dass er eine chirurgische Laufbahn anzustreben scheint. Ihm gegenüber wirkte Herr Sommer immer freundlich und seine Kenntnisse waren ganz ordentlich.

Dr. Winkler beginnt das Gespräch: Schön, dass sich im vergangenen halben Jahr das Verhältnis mit dem Team deutlich gebessert hat, Sie haben sich ganz offensichtlich integriert und sind selbständiger und sicherer in Ihren Entscheidungen geworden. Ganz besonders gefallen hat mir, wie Sie mit viel Elan und gegen erhebliche Widerstände unser gemeinsames Projekt zur Spitalhygiene vorangebracht haben. Allerdings möchte ich ehrlich sein und Ihnen keine Hoffnung auf eine chirurgische Karriere bei uns machen. Aufgrund meiner Beobachtungen haben Sie die dafür notwendigen Talente nicht.

Herr Sommer wirkt wie versteinert und entgegnet nach einer kurzen Pause in etwas aufgebrachtem Ton: Ich verstehe nicht, wieso ich für Chirurgie ungeeignet sein soll. Ich bin sorgfältig beim Nähen und kenne meine Grenzen. Ich habe  mit der Patientenbetreuung zu Beginn der Anstellung manchmal Mühe gehabt, aber gravierende Fehler sind mir nie unterlaufen.

Dr. Winkler entgegnet gelassen: Auch andere Personen im Spital teilen meine Ansicht. Ihr Verhalten bei medizinischen Problemstellungen und Ihr zögerliches Vorgehen zum Beispiel beim Präparieren bei Abdominaleingriffen zeigen unzweifelhaft: Sie sind für die Chirurgie ungeeignet.

Nun kann sich Herr Sommer nicht mehr zurückhalten und sagt wütend: Das ist Mobbing: Man macht mich systematisch schlecht und niemand gibt mir eine faire Chance meine Kompetenzen zu zeigen. Die Anschuldigen sind falsch, denn ich konnte im letzten halben Jahr nur gerade zweimal ein Abdomen selbständig eröffnen. Einmal war dies bei Frau Zeiko mit einem BMI von 38 schwierig. Grundsätzlich mache ich meinen Job gut. Ich werde von meinem Ziel nicht abrücken, bisher habe ich alles erreicht, was ich mir vorgenommen habe. Ich werde einen Weg finden, Chirurg zu werden.

Dr. Winkler bricht das Gespräch wütend ab und fühlt sich in seinem Urteil bestärkt: Herr Sommer ist nicht nur ein Low-Performer sondern auch noch uneinsichtig. Er beschliesst den befristeten Anstellungsvertrag nicht zu verlängern.

Fragen zur Reflexion:

Welches Feedback geben Sie Dr. Winkler und Herr Sommer, wenn Sie diesem Gespräch zugeschaut hätten? Welches sind positive Punkte? Wie könnte sie ihre Ziele geschickter erreichen (Karriereplanung)?

Wie würden Sie an Stelle von Dr. Winkler nach diesem Gespräch weiter vorgehen? Vereinbaren Sei ein weiteres Gespräch mit dem Assistenzarzt? Wie würden Sie sich vorbereiten?

16.12.2014 16:23 Kommentar von Anonymous
Nach den erwähnten positiven Punkten wäre es wohl angebracht gewesen, die Schwachpunkte, also die von Kollegen bemängelten Fehler, konkret anzusprechen und nochmals den Standpunkt des Betroffenen zu hören. Dadurch hätte sich der Vorgesetzte einen Eindruck verschaffen können, wie der Betroffene die Vorwürfe einschätzt, wie er darüber denkt und wie er das Ganze emotional aufgenommen respektive verarbeitet hat.
Ein Weg sich dem Thema der Berufswahl anzunähern ist, den Kandidaten zuerst aus seiner Sicht argumentieren zu lassen, wo und vielleicht auch warum er sich in diesem Fachgebiet sieht (Stärken aufzeigen). Man könnte ihn dann allenfalls nach Schwächen fragen in der Hoffnung, eine Reflexion auszulösen. Durch im Ton und in der Formulierung angepasste Ich-Botschaften könnte man diesen Prozess unterstützen.
Bevor man das Gespräch fortsetzen kann, müssen beide Gesprächspartner ihre Emotionen in den Griff bekommen. Es braucht von Seiten des Vorgesetzen Signale der Beruhigung und auch des Verständnisses. Wichtig wäre auch zu ergründen, wieso er unbedingt Chirurg werden will und warum er Kritik so schlecht erträgt.
pfister
16.12.2014 16:26 Kommentar von pfister
Herr Sommer zeichnet sich in dieser Situation aus durch Stärken bei den Kompetenzen Beharrlichkeit und Eigenverantwortung. Er könnte weiterentwickeln:
• Beurteilungsvermögen: Verfügt über ein breites fachlich-methodisches Wissen, um Sachverhalte und Problemsituationen einzuschätzen; ist in der Lage, seine Auf¬fassungen anderen verständlich zu machen und sie tatkräftig zu realisieren; lässt sich durch die Praxis „belehren“ und steigert damit fortlaufend die eigene Urteils¬fähigkeit.
• Lernbereitschaft: Ist bereit, fehlendes und neues fachliches und methodisches Wissen, Qualifikationen und Erfahrungen zu erwerben; ist bereit, an Weiter¬bil-dungs¬maßnahmen teilzunehmen; besitzt die Fähigkeit zum informellen Lernen im Prozess der Arbeit, im sozialen Umfeld und im Freizeitbereich; charakteristisch ist ein hoher, freiwilliger Anteil an selbstorganisierten Lernens.

Dr. Winkler zeichnet sich in dieser Situation aus durch Stärken bei den Kompetenzen Beurteilungsvermögen und Initiative. Er könnte weiterentwickeln:
• Integrationsfähigkeit: Vermag es kraft der eigenen Persönlichkeit, unterschiedliche Bestrebungen, Interessen und Handlungen zielorientiert zusammenzuführen; kann sich in unterschiedliche Sichtweisen, Motive und Partialinteressen hinein¬ver¬setzen; nutzt, ändert oder schafft institutionelle Rahmenbedingungen für die Integration.
• Impulsgeben: Setzt energisch Verhaltensanstöße für ein gemeinsames Handeln der Gruppe / des Teams; begleitet das gemeinsame Handeln im Unternehmen und in Außenaktivitäten durch Ermunterung und Anstöße.
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